Notopfermarken Berlin – Teil 1 – Wie alles begann

Im ersten Teil unserer Serie „Notopfermarken Berlin“ erfahren Sie wie es zu den Zwangssteuermarken kam. Blaue Zwerge gegen den Roten Riesen.

Wie die Notopfermarken Berlins die Folgen sowjetischer Großmachtpolitik torpedierten.
Infolge von drei weiteren Artikeln berichten wir über die politischen sowie gesellschaftlichen Umstände zur Entstehung der Notopfermarken. Ebenfalls deren Unterschiede und Unterscheidungsmerkmale. Ferner befassen wir uns  im dritten Teil mit der Sammelmethodik der Zwangszuschlagmarken.

Philatelisten sprechen von den „Blauen Zwergen“. Damit sind keineswegs die Schlümpfe gemeint. Sondern die kleinen blauen Marken. Welche weder Fiskalmarken noch Briefmarken sind. Aber diese wurden wie Postwertzeichen verwendet und entwertet. Außerdem haben sie den Hintergrund von Fiskalmarken.

Wie kam es zu den Notopfermarken?

In Folge der sowjetischen Blockade Berlins, kam es in West-Berlin zu Versorgungsengpässen. Und zwar bei Gütern des täglichen Bedarfes, insbesondere Lebensmitteln und Brennstoffen. Daraufhin richteten die Briten und die Amerikaner die Luftbrücke ein. Welche die Westberliner Bevölkerung über zwei Luftkorridore mit dem Nötigsten versorgte. Vom 26. Juni 1946 bis zum 12. Mai 1949 wurden mehr als zwei Millionen Westberliner mit täglich bis zu 6000 Tonnen Bedarfsgütern versorgt. Eine gigantische Meisterleistung. Welche es so noch nicht gegeben hat.

Solidarischer Weise der Westberliner Bevölkerung gegenüber und zur Unterstützung der Westmächte erging in der Bizone am 8. November 1946 das „Gesetz zur Erhebung einer Abgabe Notopfer Berlin“. Und zwar durch den Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes.

Durch dieses Gesetzt wurde eine zusätzliche Steuer auf das Einkommen der deutschen Bevölkerung erhoben. Schließlich wird es hier für den Philatelisten interessant. Und zwar mussten Postsendungen mit einer Steuermarke zu 2 Pfennige versehen werden. Eben der Notopfermarke.

Notopfermarke Oberrand Ecke - gezähnt
Notopfermarke Oberrand Ecke – gezähnt

Die Verwendung dieser war ursprünglich befristet. Und sollte zum Februar 1949 enden. Der Zeitraum wurde jedoch immer wieder verlängert. Da die Aktion recht großen Erfolg zu verzeichnen hatte. Die Länder der französischen Zone schlossen sich der Verwendung an. Allerdings zu verschiedenen Zeiten. Erst ab dem Neujahrstag 1950 wurde der Zwangszuschlag einheitlich im gesamten Bundesgebiet erhoben. Zudem mussten auch die Einwohner der Zollausschussgebiete Teilen Österreichs, am 31. Dezember 1950 entrichten.

Notopfermarke ungezähnt - Wohnungsbaumarken aus Wuerttemberg
Notopfermarke ungezähnt – Wohnungsbaumarken aus Wuerttemberg

Keine einheitlichen Bestimmungen

Die Zeiten der Erhebung des Zwangszuschlages und die damit verbundene Verwendung der Notopfermarken war in den Westzonen keineswegs einheitlich. Die Länder der französischen Zone beteiligten sich nur zeitweilig:

  • Württemberg-Hohenzollern: Einführung 10. Januar 1949, Abschaffung 31. Mai 1949
  • Rheinland-Pfalz: Einführung 1. Februar 1949, Abschaffung 31. März 1949
  • Baden: Einführung 1. Juli 1949, Abschaffung einen Tag später, am 2. Juli 1949

Der Landtag von Württemberg-Hohenzollern stellte fest, dass die Not im eigenen Land größer sei als im fernen Berlin. Und zwar ersetzte man so das Notopfer in Form der blauen Zwangszuschlagsmarke durch eine eigene gelbe, welche dem sozialen Wohnungsbau zugute kommen sollte.

Notopfermarke für den sozialen Wohnungsbau Württemberg-Hohenzollern
Notopfermarke für den sozialen Wohnungsbau Württemberg-Hohenzollern

In Baden gab es richtig Ärger wegen der Art und Weise wie die Erträge aus der Zwangsabgabe verwendet werden sollten. 80 Prozent davon sollten nämlich für die von den Franzosen aus Kehl Vertriebenen verwendet werden. Das passte der französischen Besatzungsmacht überhaupt nicht. Allerdings einigte man sich irgendwie mit Frankreich und so konnten die Badenser am 17. Juni das „Notopfer Berlin und Kehl“ wieder einführen.

Nun gab es einheitlichen Bestimmungen

Ab Neujahr 1950 war die Verwendung der Notopfermarke ohnehin für das gesamte Bundesgebiet einheitlich. Allerdings zweigte Baden noch dreizehn weitere Monate lang vier Fünftel der Einnahmen daraus für Kehl ab.

Offensichtlich stand die Verwendung der Zwangszuschlagmarken schon vor der Schaffung des entsprechenden Gesetzes fest. Denn schon einige Tage vorher war die Marke an den Postämtern vorrätig.

Die Marken wurden in Alfeld an der Leine von der Druckerei August Wegener und in Braunschweig von der Druckerei Georg Westermann, nach einem Entwurf welcher schon seit August 1948 vorlag, gedruckt. Aufgrund der hohen Produktionsvorgaben erfolgte die Herstellung in aller Eile und in mehreren Schichten. Dies führte exorbitant häufig zu Druckfehlern. Wie verwischte Drucke, Plattenfehler und Zähnungsfehler. Manchmal die Marken aus Zeitgründen  gar nicht gezähnt, sodass der Schalterbeamte der Post selbst für die Trennung der Marken aus dem Bogen sorgen musste. Was einerseits durch die verschiedensten Postmeistertrennungen und durch das Vorhandensein geschnittener Marken belegt ist.

Sieben Jahre lang wurde die Marke gedruckt. In dieser Zeit wurden drei verschiedene Wasserzeichenpapiere verwendet. Es gibt mehr als 30 verschiedene Zähnungsvarianten mit glaubhaftem Nachweis. Und verschiedene Druckverfahren kamen zum Einsatz: Offsetdruck und Buchdruck. Somit entstanden Marken mit vier verschiedenen Zeichnungen. Mehr dazu in Teil II.

Nun noch einige Fakten zur Marke und deren Verwendung:

  • es kamen runde 430 Millionen DM durch die Notopfermarken zusammen
  • die Gesamtauflage betrug 4,25 Milliarden Marken

Behörden und andere Institutionen sowie Firmen konnten den Zwangszuschlag auch bar entrichten. In diesem Falle erhielten die Sendungen einen entsprechenden Stempel aber bei weitem nicht alle. Eher die wenigsten. Entsprechende Sammelzahler erhielten eine Quittung durch das Postamt über die Anzahl der Sendungen. Eine Zahlung per Postscheckkonto war ebenfalls möglich.

Folgende Sendungen waren notopferpflichtig:

  1. Briefe und Postkarten
  2. Geschäftspapiere
  3. Warenproben und Mischsendungen
  4. Postaufträge
  5. Pakete, Päckchen, Stückgut
  6. Bahnhofszeitungen und -Briefe

Folgende Sendungen waren teilweise notopferpflichtig, also nicht zu jeder Zeit:

  1. Drucksachen, Zeitungsdrucksachen (bis 50 Gramm, Zeitungen bis 100 Gramm ab dem 28. Juli 1949 notopferfrei, in Baden für alle Gewichtsstufen frei, ab dem 1. Januar 1950 alle Drucksachen im Bundesgebiet frei)
  2. Kriegsgefangen-, Heimkehrer-, Suchdienstpost (ab 13. Mai 1949 frei von der Notopferpflicht)

Folgende Sendungsarten waren nicht notopferpflichtig:

  1. Dienstsendungen der Besatzungsmächte
  2. Postsachen
  3. Postanweisungen, Zahlkarten
  4. Postwurfsendungen und Werbeantworten
  5. Postscheck- und Postsparkassenbriefe
  6. vollzogen und zurückgesandte Zustellungsurkunden und Rückscheine
  7. Anschriftenprüfungen
  8. Postzeitungsgut und Sendungen im Postzeitungsdienst
  9. alle Sendungen nach Berlin, Ost und West und in die SBZ bzw. DDR
  10. alle Sendungen ins Ausland

Weiteres aus der Artikel-Serie „Notopfermarken Berlin“

Teil 1: Notopfermarken: Wie alles begann – Blaue Zwerge gegen den Roten Riesen
Teil 2: Wie die Deutschen das System austricksten
Teil 3: Verschiedene Typen und Zeichnungen der Notopfermarken
PDF-Download: Vergleichstafeln & Plattenfehler der Notopfermarken als PDF

4 Kommentare

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte Ihren Kommentar eingeben!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein